Roter Ostsee-Quarzporphyr
Kristallines Geschiebe des Jahres 2018
Text und Bilder von Matthias Bräunlich (kristalline-geschiebe.de und kristallin.de)
Die Gesellschaft für Geschiebekunde hat anlässlich ihres Neujahrsempfangs im Januar dieses Jahres im Geomatikum der Universität Hamburg den Påskallavik-Porphyr zum Geschiebe des Jahres 2018 erklärt.
Der Begriff „Geschiebe“ gibt dabei schon einen treffenden Hinweis auf die Herkunft dieser Gesteine, stammen sie doch aus skandinavischen Breiten und sind mit den Gletschern der Eiszeiten in die norddeutsche Region „geschoben“ worden.
Dieser Porphyr gehört zu den gut erkennbaren und verlässlichen Leitgeschieben aus der nördlichen Ostsee. Er steht für eine „baltische“ Geschiebegemeinschaft, denn sein Herkunftsgebiet liegt in der Ostsee zwischen Åland und Hiiumaa/Saaremaa. Dieses Gestein gibt es nur als Geschiebe, wobei die meisten Stücke kleiner als 15 cm im Durchmesser sind – typisch für Vulkanite.
Bild 1: Roter Ostsee-Quarzporphyr, trocken fotografiert. Rechts der Einschluss eines Fremdgesteins (Xenolith).
*Kennzeichen: *
Der Rote Ostsee-Quarzporphyr fällt bereits durch seine intensive, meist ziegelrote Farbe auf. Ohne Lupe wirkt das Gestein homogen und Details sind kaum erkennbar, wenn man von den fast immer enthaltenen dunklen und feinkörnigen Xenolithen absieht. Sie gehören zu den charakteristischen Merkmalen dieses Porphyrs und sind zwischen wenigen Millimetern und etlichen Zentimetern groß. Diese unregelmäßig geformten Einschlüsse werden als basaltische Bruchstücke interpretiert, die von der aufsteigenden Schmelze mitgerissen wurden.
Bild 2: Roter Ostsee-Quarzporphyr, nass fotografiert.
Mit der Lupe erkennt man mäßig viele, ziegelrote Feldspateinsprenglinge, die meist um 1 mm groß sind. Sie sind kantig bis unregelmäßig geformt, nicht rundlich und stecken in einer feinkörnigen bis dichten, ziegelroten oder rötlichbraunen Grundmasse. Makroskopisch erkennbarer Plagioklas fehlt praktisch immer. Neben den Alkalifeldspäten gibt es regellos verteilte rauchbraune bis
transparente, zuweilen glasklare Quarze mit einer Größe von 1 bis maximal 2 mm. Einige dieser Quarze sind zerbrochen, viele zeigen kantige Umrisse und fast alle sind durch magmatische Korrosion gezeichnet. Die ist erkennbar an schlauchförmigen Einbuchtungen und Löchern, die mit roter Grundmasse gefüllt sind. Diese Löcher sind das Resultat der Aufschmelzung bereits gebildeter Quarzkristalle.
Bild 3: Bruchfläche eines Roten Ostsee-Quarzporphyrs mit ziegelroten Alkalifeldspäten und den typischen Quarzen. Ein besonders schöner befindet sich rechts von der Mitte. Die Spuren der magmatischen Korrosion – mit roter Grundmasse gefüllte Löcher – sind gut erkennbar.
Dieser Korrosion folgte bei vielen Quarzen ein erneutes Wachstum, das zu regelmäßigen Umrissen oder zur teilweisen Neubildung äußerer Kanten führte. Dabei blieben die Korrosionsspuren in den Quarzen erhalten und wurden nur zum Teil überwachsen. Es gibt nach aktuellem Stand kein weiteres Gestein, in dem man so viele kantige Quarze mit Korrosionsspuren im Inneren findet.
Manche der Roten Ostsee-Quarzporphyre sind Ignimbrite mit hellbraunen Fiamme. Diese „Schlieren“ werden als ehemals weiche Lavafetzen interpretiert, die in den pyroklastischen Strömen explosiver Vulkanausbrüche abgelagert wurden. Die Fiamme sind immer kurz, unregelmäßig geformt bzw. gewellt und schmiegen sich an Kristalle oder Xenolithe an. Nur wenn so ein eutaxitisches Gefüge gut entwickelt ist, kann man von einem Ignimbrit reden. Schlieren in der Grundmasse allein genügen nicht. Das folgende Bild zeigt ein Beispiel.
Bild 4: Roter Ostsee-Quarzporphyr als Ignimbrit (polierter Schnitt). Neben den länglichen, braunfleckigen Fiammen fallen auch hier wieder die kantigen Quarze auf.
Neben den ziegelroten Ostsee-Quarzporphyren gibt es auch eine etwas seltenere braune Variante. Diese bräunlichen Roten Ostsee-Quarzporphyre enthalten die gleichen Quarze wie der ziegelrote Porphyr, jedoch weniger. Die braune Variante hat den gleichen Farbton wie die Fiamme in den Ignimbriten. Die Zuordnung dieser Geschiebe zum Roten Ostsee-Quarzporphyr leite ich aus ihrem gemeinsamen Vorkommen mit den roten Formen im Westen von Saaremaa (Estland) ab. Die Geschiebe der Roten Ostsee-Quarzporphyre haben dort den geringstmöglichen Abstand zum Anstehenden und bilden einen gut erkennbaren Streufächer, der die Insel Saaremaa im Westen überstreicht. Im Osten von Saaremaa habe ich keine Roten Ostsee-Quarzporphyre gefunden.
*Genese: *
Der Rote Ostsee-Quarzporphyr stammt mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Nordbaltischen Pluton und gehört zu den Rapakiwis, die mit den westfinnischen Intrusionen von Nystad, Åland, Kökarsfjärden u. a. eine Gruppe bilden, deren Alter mit 1,59 bis 1,54 Ga angegeben wird.[1]. Dass die Roten Ostsee-Quarzporphyre aus einem Rapakiwipluton stammen, zeigt sich an vielen Details. Neben der Korrosion der Quarze passen auch die mafischen Xenolithe zum typischen bimodalen Magmatismus. Außerdem wurden auch andere Quarzporphyre, grobkörnige Dolerite und ein Granophyr als Einschluss [2] in Roten Ostsee-Quarzporphyren gefunden. Vor allem der Granophyr als typisches Rapakiwigefüge stützt die vermutete Herkunft aus einem Rapakiwipluton.
*Bestimmung: *
Um ein Geschiebe als Roten Ostsee-Quarzporphyr zu bestimmen, müssen die ziegelroten Alkalifeldspäte und die beschriebenen Quarze in der feinkörnigen bis dichten Grundmasse vorhanden sein. Meist kommen noch die unregelmäßig geformten, grauen bis grünschwarzen Xenolithe dazu. Sollten diese fehlen, müssen die Quarze wie oben skizziert aussehen und die Alkalifeldspäte rot, überwiegend kantig und nur in mäßiger Menge enthalten sein. Rote Vulkanite mit durchgehend rundlichen Quarzen sind keine Roten Ostsee-Quarzporphyre, auch wenn die Quarze Korrosionsspuren zeigen. Ebenso sind rundliche Alkalifeldspäte ein Hinweis auf ein anderes Herkunftsgebiet.
*Ähnliche Gesteine:*
Sofern die basaltischen Xenolithe und die beschriebenen Quarze enthalten sind, gibt es keine bekannten Doppelgänger.
Ein ähnlicher Porphyr, jedoch ohne Quarze, kommt aus Dalarna (Bredvad-Porphyr). Porphyre aus anderen Rapakiwigebieten enthalten nach heutigen Wissen rundliche Quarze. Auch sind in diesen Gesteinen die Alkalifeldspäte größer als im Roten Ostsee-Quarzporphyr und überwiegend gerundet, was für die Roten Ostsee-Quarzporphyre untypisch ist.
*Literatur*
[1] Lehtinen, M., Nurmi, P.A. & Rämö, O.T. Hrsg. (2005) Precambrian geology of Finland. Key to the evolution of the Fennoscandian Shield – Developments in Precambrian Geology 14: XIV + 736 S., Abb., Ktn., Amsterdam (Elsevier). Karte auf Seite 554.
[2] Geschiebe aus der Sammlung Georg Engelhardt, Potsdam. Fundort Kiesgrube Fresdorfer Heide bei Saarmund, ca. 10 km südlich von Potsdam. Foto ab Januar 2018 auf kristallin.de
Milthers, V. (1906) Woher stammen die sogenannten „Rödö”-Quarzporphyrgeschiebe im baltischen Diluvium? -Meddelelser fra Dansk Geologisk Forening 2 (1905) 113-118, København
Smed, P. & Ehlers, J. (2002) Steine aus dem Norden; Geschiebe als Zeugen der Eiszeit in Norddeutschland 2. verbesserte Aufl. Berlin/Stuttgart (Borntraeger)